In der Krise einer GmbH wird die Löschung der Gesellschaft häufig als der rettende Hafen angesehen, um das Schlimmste zu verhindern. Dabei besteht das Schlimmste darin, dass in Sicherheit gewähnte frühere Vermögenswerte der Gesellschaft aufgespürt und der Gläubigerbefriedigung zugeführt werden. Ist die Gesellschaft erst einmal gelöscht, ist auch die Rechtsverfolgung am Ende. So eine nicht nur unter Laien, sondern z. B. auch bei Gerichtsvollzieher/innen weit verbreitete Meinung.
Die Löschung erfolgt nach § 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG zwingend, wenn das Insolvenzverfahren durchgeführt worden ist und keine Anhaltspunkte für übrig gebliebenes Vermögen bestehen. Auch ohne Insolvenzverfahren kann das Amtsgericht nach § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG von Amts wegen oder auf Antrag des Finanzamts oder der berufsständigen Organe löschen, wenn es nach Prüfung zum Ergebnis gekommen ist, dass kein Vermögen vorhanden ist.
Nachfolgend wird dargelegt, warum die weit verbreitete Meinung falsch ist.
Schon seit einigen Jahren ist anerkannt, dass der registerrechtlichen Löschung einer GmbH oder UG wegen Vermögenslosigkeit (§ 394 FamFG i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG) keine materielle Gestaltungskraft zukommt (1). Bedeutung hat dies insbesondere für Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Wenn noch Vermögen vorhanden ist, liegt eine irrtümliche Löschung vor, die an der Parteifähigkeit der Gesellschaft nichts ändert. Gegen sie kann auch vollstreckt werden. Sie kann auch zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung über ihr Vermögen verpflichtet werden.
Hinsichtlich der Vermögensauskunft ist streitig, ob ein früherer Geschäftsführer und/oder Liquidator verpflichtet werden kann, die eidesstattliche Versicherung über das Vermögen der Gesellschaft gemäß § 802c ZPO abzugeben.(2)
Die besseren Argumente sprechen für die erstgenannte Meinung. Sie erspart dem Gläubiger und den Gerichten nicht nur Arbeit, sondern ist auch juristisch gut zu begründen.
Zum einen wird angeführt, dass es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Erklärung der zu Unrecht gelöschten Gesellschaft handele, sondern um eine eigene, quasi zeugenschaftliche Erklärung des früheren Geschäftsführers/Liquidators.(3) Ob dem allerdings zu folgen ist, erscheint zweifelhaft, denn der Wortlaut des § 802c ZPO ist eindeutig: „Der Schuldner ist verpflichtet, …. Auskunft über sein Vermögen … zu erteilen …“. Es handelt sich also um eine Vollstreckung beim Schuldner und nicht bei dem früheren Geschäftsführer/Liquidator.
Überzeugend ist jedoch das weitere Argument, nämlich dass der Geschäftsführer/Liquidator einer zu Unrecht gelöschten Gesellschaft in Wirklichkeit noch im Amt und damit zur Vertretung der Gesellschaft fähig ist (4). Nach der zwischenzeitlich herrschenden Lehre vom Doppeltatbestand (5) muss die Gesellschaft vermögenslos gewesen und gelöscht worden sein, damit sie wirklich aufgehört hat zu existieren. Wenn Vermögenslosigkeit nicht vorlag, hat die Löschung folglich keine Bedeutung. Dann kann sie auch nicht zur Beendigung der Organstellung geführt haben. Zur Abgabe verpflichtet ist daher der letzte Geschäftsführer/Liquidator (6).
Streitig ist, wie hoch die Anforderungen an den Vortrag des Gläubigers sind, damit die Vollstreckungsorgane die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anordnen.
Von einer Meinung wird angenommen, dass aufgrund der Löschung eine Vermutung für Vermögenslosigkeit spreche.(7) Der Gläubiger müsse daher substantiiert darlegen, dass Vermögen vorhanden ist, um die Vermutung zu entkräften. Andernfalls fehle ihm das Rechtschutzbedürfnis.
Nach Auffassung des KG dürfen die Anforderungen nicht allzu hoch angesetzt werden. (8)
Nach einer dritten Auffassung genügt die Behauptung des Gläubigers, dass die Gesellschaft Vermögenswerte besitze. (9)
Richtig dürfte die letztgenannte Auffassung sein. Die Parteifähigkeit ist im Erkenntnisverfahren Prozessvoraussetzung und Zulässigkeitsvoraussetzung. Sie ist von Amts wegen zu prüfen. Die Beweislast trägt der Kläger.
Im Vollstreckungsverfahren handelt der Gerichtsvollzieher nach dem Untersuchungsgrundsatz. (10) Verweigert er unter Hinweis auf eine Löschung der GmbH die Abnahme der Vermögensauskunft wegen damit angeblich fehlender Parteifähigkeit und entscheidet das Gericht über die dagegen eingelegte Erinnerung des Gläubigers, trägt dieser wie im Erkenntnisverfahren die Darlegungslast betreffend der Parteifähigkeit.
Nach allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungslast und zur Substantiierungspflicht muss der Kläger im Erkenntnisverfahren nur diejenigen Tatsachen vortragen, die die Klage schlüssig machen. Der Vortrag muss also, seine Richtigkeit unterstellt, den Klageanspruch rechtfertigen. (11) Der Vortrag von Einzelheiten gehört nicht zur Schlüssigkeit der Klage.
Nach der erstgenannten Ansicht soll das wegen einer durch die Löschung begründeten Vermutung der Vermögenslosigkeit im Vollstreckungsverfahren anders sein. Das löst Fragen aus.
Da im Erkenntnisverfahren die Richtigkeit des Klägervortrages unterstellt wird, soweit es um die Schlüssigkeit der Klage geht, kann die Schlüssigkeit nicht mit der Begründung verneint werden, dass dem vorgetragenen Sachverhalt eine Vermutung entgegenstehe. Das Rechtschutzbedürfnis kann z.B. nicht mit der Begründung verneint werden, in einem Parallelprozess sei die Klage bereits erfolglos geblieben. Der BGH bejaht folgerichtig die Parteifähigkeit der gelöschten GmbH im Erkenntnisverfahren schon dann, wenn sie nach dem Vortrag des Klägers noch Vermögen hat. (12)
Warum soll im Vollstreckungsverfahren etwas anderes als im Erkenntnisverfahren gelten? Tatsächlich ergibt es wenig Sinn. Wenn die Anforderungen im Vollstreckungsverfahren schärfer als im Erkenntnisverfahren wären, könnte ein Gläubiger zwar einen Titel erwirken, diesen aber nicht durchsetzen. (13)
Selbst wenn man mit einer tatsächlichen Vermutung (nicht zu verwechseln mit der gesetzlichen Vermutung i.S.v. § 292 ZPO) argumentieren könnte, stellt sich die Frage, ob die Löschung einer GmbH im Register die Vermutung der Vermögenslosigkeit begründet?
Wie eingangs ausgeführt kann das Amtsgericht nach § 394 FamFG eine GmbH löschen, wenn sie kein Vermögen besitzt. Ob dies der Fall ist, muss das Amtsgericht prüfen. Trotzdem erschließt sich nicht, warum sich aus seiner Prüfung und Entscheidung eine Vermutung herleiten lässt. Auch im Erkenntnisverfahren wird die Richtigkeit der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts nicht vermutet, nicht einmal dann, wenn ein Kollegialgericht entschieden hat.
Die Behauptung des Gläubigers, dass die gelöschte GmbH noch Vermögen besitzt, muss also ausreichen, um die Vermögensauskunft zu erzwingen. Dies entspricht auch deren Sinn und Zweck. Sie dient dazu, vollstreckbares Vermögen festzustellen. Wenn der Gläubiger solches bereits kennt, benötigt er keine Vermögensauskunft. (13)
Zusammenfassung
Die Löschung der GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit muss den Gläubiger nicht davon abhalten, eine Vermögensauskunft (eidesstattliche Versicherung) der Gesellschaft zu erzwingen. Die Löschung beendet die Existenz der Gesellschaft nicht, wenn diese noch Vermögen z.B. in Form von Bereicherungsansprüchen besitzt.
Nach richtiger Auffassung sind die letzten Organe (Geschäftsführer/Liquidatoren) zur Vermögensauskunft heranzuziehen. Der Bestellung eines Liquidators bedarf es nicht.
Der Gerichtsvollzieher hat einem entsprechenden Antrag bereits dann zu entsprechen, wenn der Gläubiger behauptet, dass die Gesellschaft noch Vermögen habe und daher zu Unrecht gelöscht worden sei (str.).
1) Vgl. nur BGH, Beschl. v. 20.05.2015 - VII ZB 53/13.
2) OLG Koblenz, Beschl. v. 28.11.1989 - 4 W 726/89 - JurBüro 1990, 537, 540; LG Berlin, Beschl. v. 12.03.1990 - 81 T 561/89 - Rpfleger 1990, 374; KG, Beschl. v. 08.02.1991 - 1 W 3357/90 NJW-RR 1991, 933, 934, oder ob zu diesem Zweck ein Liquidator neu bestellt werden muss, OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.03.1994 - 8 W 99/94 - NJW-RR 1994, 1064.
3) OLG Koblenz, Beschl. v. 28.11.1989 - 4 W 726/89; KG, Beschl. v. 08.02.1991 - 1 W 3357/90 NJW-RR 1991, 933.
4) KG, Beschl. v. 08.02.1991 - 1 W 3357/90 - NJW-RR 1991, 933.
5) BGH, Urt. v. 11.09.2000 - II ZR 370/99 - NJW 2001, 304, 305.
6) AG Bad Homburg v.d.H., 61 M 1379/23.
7) OLG Koblenz, Beschl. v. 28.11.1989 - 4 W 726/89; KG, Beschl. v. 08.02.1991 - 1 W 3357/90 NJW-RR 1991, 932, 934; Seibel in: MünchKomm ZPO, 6. Aufl. 2020, § 802c Rn. 8; AG Bad Homburg v. d. Höhe, 61 M 1379/23.
8) KG, Beschl. v. 08.02.1991 - 1 W 3357/90 - NJW-RR 1991, 933.
9) OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.03.1994 - 8 W 99/94 - NJW-RR 1994,1064; LG Braunschweig, Beschl. v. 03.12.1998 - 8 T 1072/98 - NJW-RR 1999, 1265; Seiler in: Thomas/Putzo, 44. Aufl. 2023, Vorb. § 704 ZPO Rn. 42 und § 802c ZPO Rn. 3; wohl auch Nober in: Anders /Gehle, 80. Auflage 2020, § 802c ZPO Rn. 56.
10) Seiler in: Thomas/Putzo, 44. Aufl. 2023, Vorb. § 704 ZPO Rn. 31.
11) BGH, Urt. v. 12.07.1984 - VII ZR 123/83 - NJW 1984, 2889.
12) Vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 20.05.2015 - VII ZB 53/13.
13) So auch die Begründung des OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.03.1994 - 8 W 99/94.
14) Vgl. Weinbörner, Rpfleger 1984, 261, 262.
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