Dr. Reinhard Nacke
Anwaltszertifikat Handels- und Gesellschaftsrecht 19/2022 Anm. 1
Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen
bei Dauerschuldverhältnissen
am Beispiel von Dauermandaten von Vermögensverwaltern und Steuerberatern
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Einleitung
Die dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB und dessen absolute zehnjährige Verjährungsfrist stellen Geschädigte ebenso wie Anwälte bei fortbestehenden Geschäftsbeziehungen oft vor besondere Herausforderungen. Dies gilt nicht zuletzt für Schadensersatzansprüche gegen ungetreue Vermögensverwalter und Vermögensberater oder gegen Steuerberater, die den Geschädigten nicht über Machenschaften des Vermögensberaters aufklären, obwohl sich entsprechende Erkenntnisse im Zuge der Mandatsbearbeitung aufdrängen (1). Oft läuft die Zeit aus unterschiedlichen Gründen davon.
Das beginnt damit, dass der ungetreue Vermögensverwalter naturgemäß alles tut, um seine Pflichtverletzung zu verbergen. Leicht vergehen auch die zehn Jahre. Dann sind Geschädigte trotz der Erkenntnis, möglicherweise Opfer eines Schneeballsystems oder eines Churnings geworden zu sein, auf das fortdauernde Wohlwollen des Vermögensverwalters angewiesen, um den Schaden möglichst außergerichtlich zu reduzieren. Eventuell fehlen auch (noch) die Mittel oder die Informationen, um den Rechtstreit führen zu können. Sind wie immer bei Schneeballsystemen mehrere geschädigt, vergeht Zeit für die sinnvolle Koordination des Vorgehens.
Es stellt sich die Frage, ob nach drei bzw. zehn Jahren wirklich Schluss ist, oder ob es neben den Fällen der Hemmung der Verjährung z. B. durch Verhandlungen (§ 203 BGB) oder des Neubeginns der Verjährung z. B. durch Anerkenntnis (§ 212 BGB) weitere Fälle gibt, in denen mehr Zeit zur Verfügung steht. Wann genau beginnen diese Fristen bei Dauerschuldverhältnissen überhaupt? Jedenfalls beginnt die regelmäßige Verjährung nicht bereits mit Entstehung des Anspruchs zu laufen, sondern erst am Ende eines Kalenderjahres und Kenntniserlangung (§ 199 Abs. 1 BGB).
Nachfolgend wird gezeigt, dass es Spielräume gibt, die der Anwalt kennen sollte, bevor er aus Verjährungsgründen von einem Rechtstreit abrät. Anzumerken ist allerdings auch, dass Einiges in diesem Bereich bisher unzureichend geklärt ist, was die Beurteilung erheblich erschwert. Der BGH hat versucht, mehr Klarheit zu schaffen, gibt den Geschädigten damit aber eher Steine statt Brot.
Das LG Düsseldorf hatte 2021 einen Fall der Haftung eines Vermögensverwalters und eines Steuerberaters zu entscheiden (2), in dem auch die Verjährungsfrage eine Rolle spielte. Die Ausführungen befassen sich auch mit diesem Aspekt der Entscheidung.
Die Rechtslage
I. Verjährung bei zeitlich limitierten Pflichten
Meist geht es bei der Haftung von Vermögensverwaltern oder Steuerberatern um Fälle, in denen ein Mandant/Kunde einen Schaden dadurch erleidet, dass der Vermögensverwalter Geld falsch anlegt oder der Steuerberater es versäumt, für den Mandanten eine zutreffende Steuererklärung abzugeben oder ein Rechtsmittel einzulegen. In diesem Bereich ist die Verjährungsfrage leicht zu beantworten. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Mandant/Kunde vom Schaden Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Unabhängig von der Kenntnis endet die Verjährung auf den Tag genau zehn Jahre nach Entstehung des Anspruchs (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB).
Reicht der Steuerberater also eine nachteilige Steuererklärung ein, entsteht der Schaden dann, wenn der Steuerbescheid zugeht.(3). Hat der Steuerberater einen Einspruch versäumt, entsteht der Schaden mit Ablauf der Frist (4). Die Verjährung der Haftung des Vermögensverwalters beginnt mit der für den Kunden nachteiligen Geldanlage (5).
Gemeinsam ist diesen Fällen, dass es sich nicht um Primäransprüche, sondern um Sekundäransprüche handelt. Letzteres sind solche, die aufgrund der Verletzung des Primäranspruchs entstehen. Der Primäranspruch ist der auf die vereinbarte Leistung gerichtete Anspruch, beispielsweise der Anspruch auf Einreichung der Steuererklärung, der Sekundäranspruch der aus Nichteinreichung der Steuererklärung resultierende Schadensersatzanspruch. Gemeinsam ist ihnen vor allem, dass die Pflicht zeitlich limitiert ist. Dies kann darauf beruhen, dass für die Vornahme der Handlung reine gesetzliche Frist gilt (z.B. die Einspruchsfrist). Dies kann auch darauf beruhen, dass der Schaden bereits eingetreten ist (für den Kunden nachteilige Geldanlage).
II. Verjährung bei Verletzung von dauerhaften Pflichten aus Dauerschuldverhältnissen
Was aber gilt, wenn der Steuerberater oder der Vermögensverwalter eine Pflicht verletzt, die zeitlich fortbesteht, solange das Dauermandat besteht. Der Vermögensverwalter kassiert zwar fortlaufend eine Vergütung für die Vermögensverwaltung, legt das Geld des Kunden aber nicht an. Der Steuerberater hat im Steuerberatungsvertrag neben der Bearbeitung der Steuerangelegenheiten auch die Überwachung des Vermögensverwalters übernommen, gibt seine Erkenntnisse aber nicht an den Klienten weiter.
1.
Dauerschuldverhältnis
Typisch für diese Fallgruppe ist das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses. Dieses unterscheidet sich von einem einfachen Schuldverhältnis dadurch, dass für die Parteien fortwährend neue Leistungs- und Schutzpflichten entstehen (6).
2.
Verjährung von Primäransprüchen im Dauerschuldverhältnis
Theoretisch könnte die Verjährung eines Primäranspruchs aus dem Dauerschuldverhältnis vorbehaltlich des subjektiven Elements beim Mandanten/Kunden beginnen, wenn die Leistung erstmals zu erbringen war. Dann könnte der Kunde nach Ablauf des ersten Vertragsjahres sowie weiterer drei Jahre nicht mehr die Anlage seines Vermögens verlangen. Der Steuerberater wäre nach gut drei Jahren nicht mehr zur Überwachung verpflichtet. Der Vermieter könnte die Überlassung der Mietsache einstellen, der Darlehensgeber die Darlehensvaluta zurückfordern.
Es liegt auf der Hand, dass diese Ergebnisse nicht interessengerecht sind. Vor Besprechung der Lösung der Rechtsprechung eine wichtige Klarstellung. Zu unterscheiden von der zu besprechenden Fallkonstellation ist die einmalige Handlung, die eine dauernde oder sich wiederholende Beeinträchtigung nach sich zieht (beispielsweise eine Vertiefung i.S.v. § 909 BGB, die zu immer mehr Rissen im Nachbarhaus führt). Hier kommt es für den Beginn der Verjährung auf den Zeitpunkt an, in dem ein erster Schadensbetrag notfalls im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden kann
(7). Diese Rechtsprechung darf nicht auf die Dauerhandlung übertragen werden.
Die Lösung für die Verjährung bei Dauerschuldverhältnissen basiert zunächst auf der Erkenntnis, dass das Dauerschuldverhältnis als solches, solange es andauert, unverjährbar ist
(8). Verjähren können aber die aus ihm erwachsenen Ansprüche. Hierfür gilt § 199 Abs. 1 BGB. Voraussetzung für den Beginn des Verjährungslaufs ist neben der Kenntnis die Entstehung des Anspruchs. Ein Anspruch entsteht, wenn er mit der Klage geltend gemacht werden kann
(9). Es muss also ein (Schadensersatz-) Anspruch bestehen. Hierfür bedarf es bei Schadensersatzansprüchen einer Pflichtverletzung und eines Schadens. Aber: die Pflicht ist eine während der Dauer des Dauerschuldverhältnisses „ständig neu entstehende Dauerverpflichtung“
(10). In einem maßgebenden vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Mängelbeseitigungspflicht des Vermieters. So lange der Vermieter ununterbrochen nichts tut und das Mietverhältnis andauert, beginnt nach dieser Entscheidung die Verjährung des Primäranspruchs nicht zu laufen. Diese Dauerpflichten sind „der Sache nach unverjährbar“
(11).
Wann eine unverjährbare Dauerpflicht vorliegt, ist allerdings nicht abschließend geklärt. So soll die Pflicht des Vermieters, die Barkaution anzulegen, im Gegensatz zu der Mängelbeseitigungspflicht keine solche sein, weil sie mit der Übergabe der Kaution entstehe
(12). Diese Unterscheidung ist nicht nachzuvollziehen. Auch die Pflicht zur Mängelbeseitigung entsteht irgendwann, nämlich mit Entstehung des Mangels.
3.
Verjährung von Sekundäransprüchen aus Dauerschuldverhältnissen
resultierend aus aktivem Tun oder Unterlassen
Ursprünglich galt: Solange der Eingriff durch aktives Tun oder Unterlassen andauert, beginnt auch die Verjährungsfrist für Sekundäransprüche nicht zu laufen
(13). Dieser Grundsatz scheint auch jetzt noch gültig zu sein
(14). Tatsächlich zerlegt der BGH die Dauerhandlung (in den nachfolgend zitierten Fällen z. B. das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen von Fotografien im Internet und die fortdauernde Nichtumsetzung einer EU-Richtlinie durch den nationalen Gesetzgeber) sowohl beim aktiven Tun wie beim Unterlassen gedanklich in Einzelhandlungen nach Tagen
(15). Die Handlung wird wie eine wiederholte Handlung beurteilt. Bei aufeinanderfolgenden gleichartigen (wiederholten) Handlungen setzt jede Handlung eine neue Verjährungsfrist in Lauf
(16). Die jeweils entstehenden Schäden beginnen also auch bei Dauerhandlungen nicht erst mit dem Ende der Dauerhandlung zu verjähren.
Der Umsatzausfall, den der Mieter mangels jahrelang unterlassener Mängelbeseitigung durch den Vermieter in 2001 erlitten hat und in 2005 rechtshängig macht, wird danach oft verjährt sein, auch wenn das Mietverhältnis und damit die pflichtverletzende Handlung erst 2004 endete. Die schadensverursachende Handlung und der Schaden lagen in 2001 vor und der Anspruch hätte eingeklagt werden können. Der Anspruch war also i.S.v. § 199 Abs. 1 BGB entstanden.
Etwas anderes gilt für entgangene Umsätze in den Folgejahren. Diesbezüglich entstand ein Anspruch immer wieder neu, da die Renovierungspflicht und der Schaden immer wieder neu entstanden. Verjährung tritt also nicht insgesamt mit Ende des Dauerschuldverhältnisses ein, sondern schon zuvor sukzessive.
Zur Begründung wird angeführt, dass eine Unterscheidung zwischen einer ständig sich wiederholenden Handlung und einer Dauerhandlung letztendlich kaum möglich sei
(17). Ohnehin sei vom BGH auch unter der alten Rechtsprechung meist keine Dauerhandlung, sondern eine wiederholte Handlung angenommen worden. Unter diesen Umständen hält es der Senat in der Entscheidung für sachgerechter, von wiederholten Handlungen auszugehen, denn dadurch werde der Intention der Verjährungsvorschriften entsprochen, nämlich den Schuldner, den Rechtsfrieden und die Rechtsicherheit zu schützen.
Klar ist, der Grundsatz der Schadenseinheit
(18) greift hier nicht. Er ist anwendbar, wenn der Anspruch entstanden ist, Beträge aber erst später fällig werden oder Schäden teilweise erst später eintreten. Es gibt also nur eine schadenstiftende Handlung.
Der Vermieter kann den Schadensersatzansprüchen nach der reinen Lehre von der Dauerhandlung also während der Mietzeit und drei bzw. zehn Jahre danach nicht erfolgreich die Verjährungseinrede entgegenhalten. Geht man dagegen von einer wiederholten Handlung aus, beginnt die Verjährung mit jedem Schadenseintritt für diesen Schaden zu laufen, „weil die Voraussetzungen, gegen den Ersatzpflichtigen klageweise vorzugehen, schon zu einem früheren Zeitpunkt gegeben sind“
(19). Sekundäransprüche können also bereits vor Ende des Mietverhältnisses verjährt sein.
4.
Rechtslage bei Vermögensverwaltern und Steuerberatern
Zurück zum Vermögensverwalter und Steuerberater. Angenommen, der ansonsten mittellose Vermögensverwalter legt mit Kenntnis des Steuerberaters des Kunden dessen Vermögen während der 15-jährigen Dauer der Verträge mit dem Vermögensverwalter und mit dem Steuerberater nicht an, sondern verbraucht Jahr für Jahr einen Teil für sich. Der Kunde erkennt das nicht, weil ihm der Vermögensverwalter die erfolgreiche Anlage durch Ausschüttung von Erträgen und monatliche Übersendung entsprechender Unterlagen vorgaukelt. Nach 15 Jahren entdeckt er das Fehlverhalten der Berater und kündigt die Verträge. Wann verjährt der hieraus resultierende Schadensersatzanspruch gegen den Vermögensverwalter? Wann verjährt der Anspruch gegen den Steuerberater, der dem Mandanten seine Erkenntnis vorenthält?
a) Verjährung beim Vermögensverwalter
Die verschiedenen Pflichtverletzungen unterliegen unterschiedlichen Verjährungen.
Der
Verbrauch des Geldes stellt u. a. eine Vertragsverletzung und eine Untreue des Vermögensverwalters dar. Spätestens zehn Jahre nach einem Jahresverbrauch kann insoweit gemäß § 199 Abs. 3 BGB die Verjährung eingetreten sein, auch wenn der Kunde nichts von der Veruntreuung wusste, also überhaupt keine Chance hatte, verjährungsunterbrechende Maßnahmen zu treffen. Bei früherer Kenntnis hat der Kunde nach Kenntniserlangung gerade mal drei volle Jahre, um die Verjährung zu verhindern.
Manchmal kann der Kunde dem mit der Darlegung entgehen, dass keine konkrete Vermögensverschlechterung vorlag, weil der Vermögensverwalter trotz des Verbrauchs Rückzahlungsverlangen immer ohne weiteres honorierte und honorieren konnte und dass daher nur eine Schadensursache und eine risikobehaftete Situation, aber keine für einen Schaden notwendige konkrete Vermögensgefährdung vorlag
(20). Im vorliegenden Fall bei einem vorgabegemäß mittellosen Vermögensverwalter wird dies schwierig. Es wäre zu prüfen, bis wann der Kunde das Geld ohne weiteres zurückerhalten hätte.
Das
Unterlassen der Vermögensanlage stellt eine weitere Vertragsverletzung dar, und zwar in Form einer Dauerhandlung durch Unterlassen. Sie war ursächlich für den Verlust, denn wenn der Vermögensverwalter das Geld für seinen Kunden angelegt hätte, hätte der Kunde es nicht verloren.
Wie oben ausgeführt, beginnt der Primäranspruch auf Vornahme der Dauerhandlung nach der Rechtsprechung des BGH nicht vor Ende des Dauerschuldverhältnisses zu verjähren. Schadensersatzansprüche aus der Verletzung des Primäranspruchs durch Unterlassung der Vermögensanlage entstehen aber nach der neueren Rechtsprechung täglich neu. Im Ergebnis gilt verjährungstechnisch dasselbe wie für den Verbrauch.
Das LG Düsseldorf
(21) nimmt, ohne auf die Problematik der Verjährung von Dauerhandlungen einzugehen, zwar eine fortdauernde Vermögensbetreuungspflicht an, bejaht aber den Eintritt der absoluten Verjährung.
Ferner liegt im Beispielsfall eine Monat für Monat wiederholte Betrugshandlung in der Übersendung der täuschenden Unterlagen
(22). Durch die Einzelhandlungen entsteht jeden Monat ein neuer Schadensersatzanspruch, so dass die Verjährungsfrist erst mit dem Ende des Jahres der letzten täuschenden Unterlagen zu laufen beginnt
(23). Wenn der Kunde sein Geld ohne diese Betrugshandlung im Falle der Kenntnis der Nichtanlage notfalls im Wege der Schadensersatzklage wiederbekommen hätte, hilft dem Vermögensverwalter die Verjährungseinrede im Ergebnis also deswegen nicht, weil bis zum Schluss eine wiederkehrende Täuschungshandlung vorlag, die für Verluste ursächlich war. Das gilt aber nur, wenn der Vermögensverwalter für jede Summe gut war und ist. Da der Vermögensverwalter aber vorgabegemäß ansonsten mittellos war, kann er argumentieren, dass die Klage insgesamt abzuweisen sei, weil seine nicht verjährten Betrugshandlungen nicht schadensursächlich gewesen seien.
b) Verjährung beim Steuerberater
Der Steuerberater hat seine Dauerverpflichtung, seinen Mandanten auf die Nichtanlage des Vermögens hinzuweisen, 15 Jahre lang verletzt. Auch hier erfolgt nach der neueren Rechtsprechung die Zerlegung in wiederholte Handlungen. Mit dem sukzessiven Verbrauch des Vermögens durch den Vermögensverwalter entstand nach und nach jeweils ein neuer Schadensersatzanspruch gegen den Steuerberater. Die absolute Verjährungsfrist begann also vorbehaltlich der oben angesprochenen Frage der bloßen risikobehafteten Situation bereits ganz zu Anfang der Vertragsbeziehung zu laufen und war hinsichtlich eines Teils des Schadens bei Kenntniserlangung und Ende des Vertragsverhältnisses bereits abgelaufen.
III. Stellungnahme
Die Änderung der Rechtsprechung erscheint gerade bei Vermögensverwaltungs- und Beratungsverträgen problematisch. Typisch für diese Verträge ist, dass der Betroffene dem Berater vertraut und seine Vermögenssorge für immer oder jedenfalls lange Zeiträume ganz oder teilweise delegiert hat. Das wird ihm auch zugestanden. Der Berater kann sich nicht mit dem Argument entlasten, der Kunde habe ihn nicht überwacht
(24). Für den Berater ist es ein Leichtes, die Vertragsverletzung und den Vermögensschaden vor dem typischer Weise arglosen Geschädigten zu verbergen. Ist die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren dann abgelaufen, geht der Kunde leer aus und der Schädiger wird für seine Cleverness belohnt (es sei denn, er unternimmt bis zum Schluss wiederkehrende Täuschungshandlungen, die für den Schaden ursächlich sind).
Dass diese Folge im Grunde nicht akzeptabel ist, bestätigt das Urteil des BGH selbst. Der Senat weist darauf hin, dass für den EuGH hinsichtlich der Frage der Verjährung die Kenntnis des Geschädigten vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen von ausschlaggebender Bedeutung ist
(25). Damit verträgt es sich nicht, der von Kenntnis unabhängigen, absoluten Verjährung einen bedeutenden weiteren Anwendungsbereich zu öffnen.
Eine Verschärfung des Verjährungsrechts verträgt sich auch nicht mit der Verfahrensdauer gerade bei komplexen Fallgestaltungen, wie sie häufig im Bereich der Vermögensverwaltung vorliegen. Das vom LG Düsseldorf 2021 entschiedene Verfahren war Ende 2016 anhängig gemacht worden, und das ist kein Einzelfall. Die Gerichte nehmen offenbar keinerlei Rücksicht auf die Schwierigkeiten, die „mit der zuverlässigen Feststellung zurückliegender Tatsachen unvermeidlich verbunden sind“
(26).
Zusammenfassung
Bei Dauerschuldverhältnissen ist hinsichtlich der Verjährung zwischen Primäransprüchen und Sekundäransprüchen zu unterscheiden.
Die Verjährungsfrist für Primäransprüche beginnt während der Laufzeit des Dauerschuldverhältnisses nicht zu laufen.
Bei Sekundäransprüchen nahm der BGH analog an, dass die Verjährung nicht zu laufen beginnen kann, solange der Eingriff andauert. Zwischenzeitlich geht er davon aus, dass Dauerhandlungen durch aktives Tun wie auch durch Unterlassen wie täglich sich wiederholende Handlungen zu behandeln seien. Bei diesen entsteht der Anspruch schon mit jeder Handlung, die einen Schaden verursacht. Ansprüche entstehen und verjähren danach also sukzessive, während das Vertragsverhältnis noch besteht.
Voraussetzung ist allerdings, dass im jeweiligen Zeitpunkt ein Schaden entstanden ist. Die bloße Vermögensgefährdung durch Schaffung einer risikobehafteten Situation setzt unbestritten noch keine Verjährungsfrist in Gang.
Die Rechtsprechungsänderung erweitert den Anwendungsbereich der kenntnisunabhängigen zehnjährigen Verjährung. Das ist insbesondere bei auf Vertrauen basierenden Dauerschuldverhältnissen problematisch.
Literaturempfehlungen
Grüneberg (vormals Palandt), Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 81. Aufl. 2022, § 199 BGB..
MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2021, § 199 BGB.
Fußnoten
1) Zu der Problematik der Aufklärungspflicht Kayser, ZIP 2014, 597 ff.
2) LG Düsseldorf, Urt. v. 15.07.2021 - 10 O 68/17.
3) BGH, Urt. v. 29.04.1993 - IX ZR 109/92 - NJW 1993, 2181.
4) BGH, Urt. v. 12.02.1998 - IX ZR 190/97 - NJWRR 1998, 742.
5) BGH, Urt. v. 23.09.2004 - IX ZR 148/03 - NJWRR 2005, 1223.
6) Gaier in: MünchKomm, 9. Aufl. 2021, § 314 BGB Rn. 9.
7) BGH, Urt. v. 28.09.1973 - I ZR 136/71 - NJW 1973, 2285.
8) BGH, Urt. v. 22.04.2016 - V ZR 189/15 - NJWRR 2017, 210, 214.
9) Ellenberger in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 199 BGB Rn. 3; Grothe in: MünchKomm, 9. Aufl. 2021, § 199 BGB Rn. 4.
10) BGH, Urt. v. 17.02.2010 - VIII ZR 104/09 - NJW 2010, 1292; Gaier in: MünchKomm, 9. Aufl. 2021, § 314 BGB Rn. 9.
11) Peters/Jacoby in: Staudinger 2019, § 199 BGB Rn. 20c.
12) Peters/Jacoby in: Staudinger 2019, § 199 BGB Rn. 20c; a.A. Schmidt-Futterer/Streyl, § 566a Rn. 45.
13) BGH, Urt. v. 28.09.1973 - I ZR 136/71 - NJW 1973, 2285.
14) So z.B. Ellenberger in: Grüneberg, § 199 BGB Rn. 22 erster Satz; es folgen aber verschiedene Ausnahmen.
15) BGH, Urt. v. 15.01.2015 - I ZR 148/13; BGH, Urt. v. 04.06.2009 - III ZR 144/05 - BGHZ 181, 199, 214-216.
16) BGH, Urt. v. 26.01.1984 - I ZR 195/81 - NJW 1985, 1023.
17) Peters/Jacoby in: Staudinger, 2019, § 199 BGB Rn. 20c; Grothe in: MünchKomm, § 199 BGB Rn. 13; BGHZ 181,199,214
18) Ellenberger in: Grüneberg, § 199 BGB Rn. 14.
19) BGH, Urt. v. 04.06.2009 - III ZR 144/05 - BGHZ 181, 199, 216.
20) Vgl. Ellenberger in: Grüneberg, § 199 Rn. 15 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 23.03.1987 - II ZR 190/86 - BGHZ 100, 228, 231.
21) LG Düsseldorf, Urt. v. 15.07.2021 - 10 O 68/17 S. 37, 38.
22) Hierzu LG Düsseldorf, Urt. v. 15.07.2021 - 10 O 68/17 S. 17 ff
23) LG Düsseldorf, Urt. v. 15.07.2021 - 10 O 68/17 S. 23.
24) Grüneberg in: Grüneberg, § 254 BGB Rn. 14. AnwZert HaGesR 19/2022
25) BGHZ 181,199, 216.
26) BGHZ 181,199, 216.
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